Thursday, August 09, 2007

„Kritik an Israel ist kein Tabu“

Eine Ausstellung mit dem durchaus ansprechenden Titel "Antisemitismus? Antizionismus? Israelkritik?" wird zur Zeit im Lichthof des Auswärtigen Amtes gezeigt. Das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin bereitete in Kooperation mit Yad Vashem diesen Themenkomplex entsprechend auf. Die Fragezeichen im Titel deuten es an, hier werden Fragen gestellt. Aber welche?

Begrüßt wird der Besucher von einer trockenen, geist- und seelenlosen OSZE-Definition dessen, was der Antisemitismus sei. "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die man als Judenhass bezeichnen kann." Donnerwetter, denkt man bei sich, doch es kommt noch besser. Schon verschwindet hinter dieser 'Wahrnehmung von Juden' das Subjekt, damit ja niemand der Idee verfallen möge, leibhaftige Antisemiten steckten hinter dem verflixten Antisemitismus: "Antisemitismus wirft Juden häufig eine Verschwörung zum Schaden der Menschheit vor. Er macht Juden für alles verantwortlich, 'was fasch läuft'." usw. Der lexikalische Jargon führt zu Blüten wie „Als Antizionismus verstehen wir hier eine spezielle Form des Antisemitismus [...]“. Offen bleibt, wo sie etwas anderes darunter verstehen.

Dieser analytisch-dämliche Tonfall zieht sich durch die Ausstellung. Wir bekommen reichlich antisemitische Hasspropaganda aus verschiedenen Ländern und Zusammenhängen zu sehen, unter der jeweils steht, dass es sich dabei um antisemitische Hasspropaganda handelt.

Wenn man das nach vielen Tafeln wirklich verstanden hat, kommt die entscheidende Frage: Wie mach ichs richtig, ohne als Antisemit dazustehen? Auf drei Tafeln, unter der Überschrift „Kritik an Israel ist kein Tabu – Es ist problemlos möglich, die israelische Politik zu kritisieren, ohne dass in den Aussagen antisemitische und antizionistische Klischees verwendet werden.“, man beachte wieder das fehlende Subjekt, sind etwa ein Dutzend Zeitungskommentare zu lesen, die zwar auch mit Israel hart ins Gericht gehen, aber, jedenfalls nach Ansicht der Ausstellungsmacher, nicht antisemitisch sind. Wo schaut man nach, wenn man nichts falsch machen will? Richtig, zuerst mal bei den Juden selbst (Haaretz, Jedioth Achronot), denn, das ist ja klar, die können schon mal gar nicht antisemitisch sein. Dann greifen wir aber auch auf Beispiele aus FAZ und Spiegel zurück, denn wir wollen zeigen: auch du als Deutscher kannst das!

Die Ausstellung möchte offensichtlich einerseits eine Anleitung für koschere Israelkritik sein, andererseits mit drastischen Exempeln abstumpfen gegen die Nuancen, die eben nicht mit positivistischem Wortgeklimper zu greifen sind, sondern sich genau darüber, quod erat demonstrandum, perpetuieren. Der Betrachter dieser Ausstellung lernt, wie viele Verrückte es gibt auf der Welt, ja auch in Deutschland, und erlangt im gleichen Moment die wohl tuende Gewissheit, dass er nicht zu ihnen gehört, weil er es schließlich besser machen kann.

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